Seattle

Published on May 2017 | Categories: Documents | Downloads: 31 | Comments: 0 | Views: 362
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Einst waren die Landschaften Nordamerikas eine wundervolle Vielfalt von schneebedeckten Gebirgen, grünen Prärien,
endlosen Kurzgrassteppen, braunen sonnenverbrannten Dornstrauchsavannen, Wüsten und moderig riechenden
Dschungeln.
Vom Missouri bis zu den Rocky Mountains und von Kanada bis nach Mexiko erstreckten sich die Great Plains - ein
Meer aus Gras, so grenzenlos wie der Himmel, der sich darüber wölbt. Dies war einst das Land der Büffel. Millionen
und Abermillionen Bisons zogen wie Wolkenschatten über die Ebenen. Und es war auch Indianerland mit vielen
Stämmen, die alle vom gleichen leidenschaftlichen Stolz eines Volkes geprägt waren, das seit undenklichen Zeiten
dieses weite Land durchstreifte, frei wie der Wind, der darüber wehte.
Der Bison gab ihnen Nahrung - frisches Fleisch im Sommer, gedörrtes oder zerstoßenes und mit getrockneten Beeren
vermischtes im Winter. Er gab ihnen auch das Tipi, ein kegelförmiges Stangenzelt aus Büffelhaut, das so geräumig
war, dass eine große Familie bequem darin wohnen konnte, warme Mäntel zum Schutz gegen die eisigen
Winterstürme, Hemden, Kleider und Mokassins, die sie mit Fransen besetzten und mit bunten Perlen und
Stachelschweinborsten verzierten, Sehnen zum Nähen und zum Bespannen ihrer Bogen. Und der Bison war ihr
religiöses Symbol.
Für die Indianer waren die Tiere und Pflanzen alle Kinder ihrer gemeinsamen Mutter Erde, und alle hatten das gleiche
Recht zu leben. Die Tiere gaben den Menschen, was sie zum Leben brauchten, aber nie wurden sie mutwillig getötet,
immer baten die Indianer im Ritual um die Einwilligung der Tiere, wenn sie getötet werden mußten. Auch das Land war
ihnen heilig und durfte nicht entweiht werden, denn es war ihrer aller Mutter.
Die Indianer sahen sich zusammen mit dem Land und allen Formen des Lebens als ein Teil eines einzigen lebenden
Ganzen.
Im Jahr 1600 lebten schätzungsweise 1,5 bis 5 Millionen Indianer in Nordamerika.

Im Jahr 1608 landeten im heutigen Virginia mehrere Schiffe mit englischen Kolonisten, die im Auftrag einer Londoner
Handelsgesellschaft in Amerika Fuß fassen sollten. An der Mündung des James River gründeten sie Jamestown, die
erste dauerhafte englische Kolonie in Nordamerika.
Captain John Smith und seine Begleiter wurden von den dort lebenden Algonkin Indianern freundlich empfangen und
fürstlich bewirtet.
Smith bestand auf einer Maislieferung, und es gelang ihm, diese im Tausch gegen einen Kupferkessel zu bekommen.
Häuptling Powhatan, der außerordentlich freigebig war, gab Captain Smith bereitwillig einen ganzen Landstrich dazu,
als dieser ihm für das kommende Jahr weitere Handelswaren versprach.
Fast die Hälfte der neunhundert Jamestown Kolonisten erlag den harten Lebensbedingungen. Ohne die Hilfe der
Indianer hätten auch die anderen nicht überlebt. Da sie nicht wussten, wie man aus Baumstämmen Hütten baut,
errichteten sie Häuser aus Ruten und Lehm mit steilen Strohdächern. Doch diese waren viel zu kalt, um darin zu
wohnen. Ihr englischer Weizen, ihre Gerste und ihre Erbsen waren nicht gediehen.
Von den Indianern lernten sie den Mais kennen und wie man ihn auf angehäufte Erde pflanzte, nachdem die
Pflanzstelle vorher mit Heringen gedüngt worden war, die Felder mit Seetang zu düngen, den Anbau von Bohnen und
Kürbisgemüse, wie man Muscheln backt, einen Bohneneintopf in einer Vertiefung im Boden kocht und wie man im Fluß
mit Reusen Fische fängt.
Und sie rauchten zum ersten Mal das merkwürdige Kraut, das die Inidianer "Tobacco" nannten.
Die Londoner Handelsgesellschaft, die die Kolonie finanzierte, schickte Ersatz für die gestorbenen Kolonisten. Die
Neuankömmlinge hatten den Auftrag, für die Gesellschafter auf irgendeine Weise Gewinne zu machen. Aber diese
vertrieben die Indianer von ihren Feldern, brannten ihre Dörfer nieder und ließen die Gefangenen als Sklaven arbeiten.
Tabak rauchen war inzwischen in England Mode geworden. Aber die Tabakpflanzen laugten den Boden rasch aus, und
man brauchte bald neues Land. Die Indianer wurden weiter und weiter zurückgedrängt, um Platz für große
Pflanzungen zu schaffen.
Überall entlang der Küste strömten neue Siedler ins Land. Sie kauften den Indianern das Land ab oder vertrieben sie
einfach.
Wenn sich Indianer weigerten, ihr Land zu verlassen, das ihnen heilig war und auf dem die Gräber ihrer Vorfahren
lagen, wurde auch die Armee eingesetzt und es kam zu vielen grausamen Massakern.
Kopfgeldjäger erledigten ein �briges. Pennsylvania bot 1760 für jeden gefangenen Indianer 150 Dollar, für den Skalp
eines Indianers 134 Dollar für jede Frau oder einen Jungen unter 10 Jahre 130 Dollar und für den Skalp einer
Indianerin 50 Dollar.
Berufsmäßige Büffeljäger schlachteten in wenigen Jahren 7 Millionen Bisons ab. Sie nahmen nur das Fell und die
Zunge mit und ließen die Kadaver in der Sonne verrotten. 1874 waren die letzten großen Herden ausgerottet. Die
Indianer streiften durch die Ebenen auf der Suche nach Büffeln und waren vom Hungertod bedroht. Die Vernichtung
der wichtigsten Nahrungsquelle der Indianer diente auch dazu sie besiegen. Viele Tierarten starben durch Profitgier
und die pure Lust am Töten.
Friedensverträge wurden immer wieder gebrochen, Versprechen nicht gehalten wegen der Gier nach mehr Land und
nach Gold, Silber und Kohle, die in Indianerland gefunden wurden.
Viele Indianer starben an den Pocken, die der weiße Mann eingesschleppt hatte. Die letzten Indianer wurden in
Reservationen zurückgedrängt, die miserable Lebensbedingungen boten. Dort erlagen viele dem Alkohol und starben
mit gebrochenem Herzen.
Frei nach der Rede von Häuptling Seattle an den Gouverneur von Washington (1854)
Der große Häuptling in Washington sendet Nachricht, dass er unser Land zu kaufen wünscht. Aber wie kann man die
Erde kaufen oder den Himmel? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des
Wassers nicht besitzen, wie könnt ihr sie von uns kaufen?
Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig. Jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den
dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes.
Wir sind ein Teil der Erde - und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das
Pferd, der große Adler - sie sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Körperwärme der Ponies
- und des Menschen - sie alle gehören zur gleichen Familie. Wenn also der große Häuptling in Washington uns
Nachricht sendet, dass er unser Land zu kaufen wünscht, so verlangt er viel von uns.
Glänzendes Wasser, das sich in Bächen und Flüssen bewegt, ist nicht nur Wasser, sondern das Blut unserer
Vorfahren. Wenn wir euch Land verkaufen, so müßt ihr wissen, dass es heilig ist und dass jede flüchtige Spiegelung im
klaren Wasser der Seen von Ereignissen und �berlieferungen aus dem Leben meines Volkes erzählt. Das Murmeln
des Wassers ist die Stimme meiner Vorväter und Vormütter.
Die Flüsse sind unsere Brüder. Sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und nähren unsere Kinder.
Wenn wir unser Land verkaufen, so müßt ihr euch daran erinnern und eure Kinder lehren. Die Flüsse sind unsere
Brüder - und eure. Und ihr müßt von nun an den Flüssen eure Güte geben, so wie jedem anderen Bruder auch.
Wir wissen, dass der weiße Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil der Erde ist ihm gleich jedem anderen, denn er ist
ein Fremder, der kommt in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer er braucht. Der weiße Mann ist nie
zufrieden, er will immer mehr. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet er
weiter.
Er behandelt seine Mutter, die Erde und seinen Vater, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern, zum
Verkaufen wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde verschlingen und nichts zurücklassen als die
Wüste.
Euer Gott ist nicht unser Gott. Wir sind zwei verschiedene Rassen mit eigenen Ursprüngen und eigenem Schicksal. Es
gibt wenig Gemeinsamkeiten zwischen uns. Uns ist die Asche unserer Vorfahren heilig, und ihre Ruhestätte ist heilige
Erde. Ihr geht weit fort von den Gräbern eurer Vorfahren und scheinbar ohne Bedauern.
Eure Religion wurde von dem eisernen Finger eures Gottes auf Steintafeln geschrieben, damit ihr sie nicht vergessen
könnt. Der rote Mann konnte sie nie verstehen und auch nicht im Gedächtnis behalten. Unsere Religion sind die
�berlieferungen unserer Vorfahren - die Träume, die unsere alten Männer in den feierlichen Stunden der Nacht von
dem Großen Geist erhalten haben, und die Visionen unserer Häuptlinge, und sie ist geschrieben in den Herzen
unseres Volkes.
Eure Toten hören auf, euch und das Land ihrer Herkunft zu lieben, sobald sie durch das Tor des Todes gehen und sich
in der Weite jenseits der Sterne verlieren. Unsere Toten vergessen nie die schöne Welt, die ihnen das Leben schenkte.
Es gibt keine Stille in den Städten der Weißen. Keinen Ort, um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das
Summen der Insekten. Was gibt es schon im Leben, wenn man nicht den einsamen Schrei des Ziegenmelkervogels
hören kann oder das Gestreite der Frösche am Teich bei Nacht. Ich bin ein roter Mann und verstehe euch nicht. Der
Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über die Teichfläche streicht - und den Geruch des Windes,
gereinigt vom Mittagsregen oder schwer vom Duft der Kiefern.
Die Luft ist kostbar für den roten Mann, denn alle Dinge teilen denselben Atem: das Tier, der Baum, der Mensch. Der
weiße Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken. Wie ein Mensch, der seit vielen Tagen stirbt, ist er
abgestumpft gegen den Gestank.
Das Ansinnen, unser Land zu verkaufen, werden wir bedenken. Und wenn wir uns entschließen anzunehmen, so nur
unter einer Bedingung. Der weiße Mann muß die Tiere des Landes behandeln wie seine Brüder. Was wäre der Mensch
ohne die Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren
geschieht, geschieht bald auch den Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden. Was die Erde befällt, befällt
auch die Söhne und Töchter der Erde. Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder lehrten: Die Erde ist unsere Mutter.
Die Erde gehört nicht den Menschen - der Mensch gehört zur Erde. Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das
eine Familie vereint.
Das Ansinnen des weißen Mannes, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken. Aber mein Volk fragt: Was denn will
der weiße Mann kaufen? Wie kann man den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen, oder die Schnelligkeit der
Antilope? Wie können wir euch diese Dinge verkaufen, und wie könnt ihr sie kaufen?
Für mein Volk ist jedes Stück dieses Bodens heilig. Jeder Berg, jedes Tal, jede Ebene und jeder Wald ist heilig
geworden durch ein trauriges oder glückliches Ereignis in vergangener Zeit. Sogar die Steine, die stumm und leblos
erscheinen, wenn sie an der stillen Küste in der Sonne schwitzen, erinnern uns an bewegende Ereignisse, die mit
unserem Volk verbunden sind. Der Boden, auf dem ihr jetzt steht, nimmt unsere Schritte liebevoller auf als eure, weil er
satt ist vom Blut unserer Ahnen, und unsere bloßen Füße spüren die wohlwollende Berührung.
Wir wissen: Wenn wir nicht verkaufen, kommt der weiße Mann mit Waffen und nimmt sich unser Land. Tag und Nacht
können nicht beisammen wohnen.
Der Rote Mann ist immer vor dem herannahenden Weißen Mann geflohen, wie der Morgennebel vor der Morgensonne
flieht. Ich denke, dass mein Volk euren Vorschlag annehmen wird und sich in die Reservation zurückziehen wird, die ihr
uns anbietet. Dann werden wir jeder für sich in Frieden leben.
Euer Volk ist zahlreich wie das Gras, das die weiten Prärien bedeckt. Unser Volk besteht aus Wenigen und gleicht den
vereinzelten Bäumen auf einer sturmgepeitschten Ebene. Es spielt kaum eine Rolle, wo wir den Rest unserer Tage
verbringen. Es werden nicht viele sein. Noch einige Monde, ein paar Winter - und keiner der Nachkommen der großen
Scharen, die einst unter dem Schutz des Großen Geistes über dieses weite Land gezogen sind, wird noch übrig sein,
um über den Tod eines Volkes zu trauern, das einmal mächtiger und hoffnungsvoller war als das eure.
Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als alle anderen Stämme. Fahret fort, euer Bett zu verseuchen, und
eines Tages werdet ihr im eigenen Abfall ersticken. Aber in eurem Untergang werdet ihr hell strahlen, angefeuert von
der Stärke des Gottes, der euch in dieses Land brachte und euch bestimmte, über dieses Land und den roten
Menschen zu herrschen. Diese Bestimmung ist uns ein Rätsel.
Wenn die Büffel alle abgeschlachtet sind, die wilden Pferde gezähmt, die heimlichen Winkel des Waldes schwer vom
Geruch vieler Menschen, und der Anblick reifer Hügel geschändet von redenden Drähten, werdet ihr fragen:
Wo ist das Dickicht?
Verschwunden!
Wo ist der Adler?
Verschwunden!
Wo das Leben aufhört, fängt das �berleben an.
Stämme und Völker gehen wie die Wellen des Meeres.
Es ist ein Gesetz der Natur und darüber zu klagen ist sinnlos.
Die Zeit des Untergangs des weißen Mannes ist vielleicht fern, aber sie wird kommen,
denn selbst der weiße Mann kann nicht von unser aller Schicksal ausgenommen bleiben.

Nachdem die Amerikaner die
Algonkin, Apachen, Arapaho, Cayuga, Cherokee, Chiricahua, Creek, Cheyenne, Chickasaw, Choctaw, Comanchen,
Delwaren, Hopi, Huronen, Irokesen, Kiowa, Lakota, Minicojou, Mohawk, Mohave, Navaho, Oglala, Oneida, Onondaga,
Osage, Ottawa, Ojibwa, Shawnee, Seminolen, Seneca, Sioux, Susquehanna, Tuscarora, Potawatomi, Powhatan...
ausgerottet oder in Reservate gesperrt hatten, stellt sich die Frage, was hat sich heute geändert?
Die Antwort ist ernüchternd: Bis heute hat der weiße Mann nichts dazugelernt!
Die letzten Urwälder der Erde verschwinden mit rasanter Geschwindigkeit. Und überall dort sind auch die indigenen
Völker bedroht, die seit Jahrtausenden vom Wald leben ohne ihn zu zerstören. Sie betreiben Wanderfeldbau auf
wenigen Hektar großen �ckern. Diese Menschen haben mehr Kenntnisse über den Wald als alle Naturwissenschaftler
zusammen, denn sie leben in ihm und von ihm, sie sind ein Teil davon.
In Venezuela wird der Lebensraum der Yanomami Indianer von Goldsuchern bedroht, die die Flüsse mit Quecksilber
vergiften und Krankheiten einschleppen, die es dort vorher nicht gab. In den Anden von Chile kämpfen die Mapuche
Indianer gegen das Abholzen der letzten Urwälder. Auf Borneo verwandeln mächtige Holzkonzerne den Regenwald in
Wüste. In Afrika sind es die Pygmäen, deren Lebensgrundlage vernichtet wird. Im Amazonas Becken frißt die
Brandrodung den Wald auf. Hier leben hunderte von eingeborenen Völkern.
Ehemals regenwaldreiche Länder wie Indien, Bangladesh, Haiti und Sri Lanka haben bereits heute keine
ursprünglichen Wälder mehr.

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