Bach

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AS Der späte Bach
Dr. Matthias Geuting
SS 2013
Leonard Zanner

Die Zahlenproblematik bei Bach und die Ordnung der Goldberg-Variationen
Heute ist der Name Johann Sebastian Bachs und seine Musik nahezu überall auf der Welt
bekannt. Ein Aspekt seines Schaffens beschäftigt seit jeher Musikwissenschaftler und Mathematiker
gleichermaßen wie Musikliebhaber und Esoteriker: Zahlensymbolik. Johann Sebastian Bach`s
Kompositionen sind erfüllt von grafischen Zeichen und Symbolen. Der Komponist war vermutlich
ein Anhänger der Zahlensymbolik und benutzte Quersummen und Buchstabenzuordnungen um
seine Kompositionen aufzubauen. Wir wissen heute aus einer Vielzahl von Indizien, dass Bach der
Gebrauch von Zahlenalphabeten geläufig war. Wahrscheinlich hat er auch in einigen Fällen dafür
Verwendung gehabt. Einen eindeutigen Beweis hierfür gibt es jedoch nicht, da uns Bach keinerlei
Aufzeichnungen hinterlassen hat. Es ist auch unklar, ob Bach sich lediglich mit seinen Wort- und
Zahlenspielen amüsierte, auch als er seine größten Meisterwerke schuf. Der vorliegende Beitrag
beschäftigt sich mit dem Thema der Zahlensymbolik in Bach`s Goldberg-Variationen (BWV 988).
Dazu existiert bereits eine große Menge an Literatur mit zum Teil sehr unterschiedlichen
Bewertungen. Ziel dieses Beitrags ist es, den Aufbau des Werks grob zu skizzieren, sowie eine
Einführung in die verschiedenen Aspekte der Zahlensymbolik bei Bach zu geben.
Spätestens seit Pythagoras war klar, dass Musik nichts anderes als eine akustische Version
von beliebig komplizierten Zahlenfolgen, -verhältnissen und Gleichungssystemen darstellt. Zahlen
kann man also visualisieren. Bach benutzte häufig das gematrische Verfahren, bei dem jeder
Buchstabe des Alphabets mit einer Zahl gleichgesetzt wird. 1 Die alphabetischen Ordnungsziffern
für „b-a-c-h“ sind 2-1-3-8. Die Summe dieser Zahlen ist 14. 14 und ihre Spiegelzahl 41 waren unter
Bach`s Lieblingsnummern. Wissenschaftler haben diese Zahlen unzählige Male versteckt in den
Noten und der musikalischen Struktur von Bach`s Musik gefunden. Einige Beispiele der
Zahlensymbolik in Bach`s Werken sind offensichtlich, wie zum Beispiel die zehn Wiederholungen
der Melodie in „Dies sind die heiligen zehn Gebote“.2 Aber es gibt auch musikalische Elemente, die
sich auf die Zahl 3, und die Zahl 4 zentrieren. Muster aus 5 könnten die fünf Wunden die Jesus am
Kreuz erlitt repräsentieren und schließlich die Kreuzigung. Die Zahl 12 könnte für die zwölf
Apostel stehen. Die Liste geht weiter und weiter. 3 Theoretisch kann jeder Zahl ein Symbol
1
2
3

Vgl. hierzu Holger Dammbeck: Numerator: Geheimcode-Suche in Bachs Sonaten.
Online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/numerator-geheimcode-suche-in-bachs-sonaten-a-447530.html
[24.08.2013].
Vgl. Geck, S. 736.
Eine Auflistung kann unter http://www.h-eike.net/leBachallgemein.htm eingesehen werden. [24.08.2013].

zugeordnet werden 3, 6, 7, 10, 11, 12, 14, 41. Dies sind nur ein paar Beispiele.
Die Goldberg-Variationen sind ein Werk aus dem Jahr 1741, welches aus einer Aria, 30
Variationen und der Aria da capo besteht. Auf das Umschlagblatt seines Zyklus ließ Bach folgenden
Titel drucken:
Clavier Ubung
bestehend
in einer
ARIA
mit verschiedenen Veraenderungen
vors Clavicimbal mit 2 Mannualen.
Denen Liebhabern zur GemüthsErgetzung verfertiget von
Johann Sebastian Bach
Königl. Pohl. U. Churf. HoffCompositeur, Capellmeister u. Directore
Chori Musici in Leipzig.
Nürnberg in Verlegung
Balthasar Schmids.

Eingeschlossen zwischen jeweils der Aria stehen zehn Sätze bestehend aus je drei Variationen. Fast
jeder Satz enthält eine Polonaise und einen anderen Tanz (Gavotte, Sarabande, Passepied usw.).4
Jeder Satz enthält als Schluss einen Kanon; dabei steigt der Tonabstand des Einsatzes jeweils um
einen Ton (also ein Unisono Kanon, ein Kanon in der Sekunde, in der Terz, in der Quart usw.). 5 Alle
Kanons sind dreistimmig, ausgenommen Variation 27. Diese hat nur zwei Stimmen. 6 In der Mitte
steht eine Variation im Stil der Französischen Ouvertüre, während die letzte Variation ein Quodlibet
ist, eine Variationsform, in der bekannte Melodien verarbeitet werden können. Bach hat darin zwei
populäre Lieder benutzt („Ich bin so lang nicht bei dir g’west“ und „Kraut und Rüben haben mich
vertrieben“).7 Die 32-taktige Basslinie der Aria dient als Ausgangsmaterial für die folgenden
Variationen und bleibt in jeder dieser Variationen die Basis. 8 Grundlage der 30 Variationen ist somit
auch nicht so sehr die Melodie, sondern die Basslinie. 32 Gerüsttöne hat der Fundamentalbass der
Arie, dieser Anzahl entsprechen die Sätze des Stückes, also die Aria und ihre Wiederholung am
Ende plus die 30 Variationen. Die Aria und die meisten Variationen bestehen aus |: 4 + 4 + 4 + 4 :| |
4 + 4 + 4 + 4 :| Takten, die Variationen 3, 9, 21 und 30 sind um die Hälfte diminuiert, in der
4
5
6
7
8

Vgl. Dammann, S. 35.
Vgl. Dammann, S. 70f.
Vgl. Dammann, S. 70f.
Vgl. Dammann, S. 234ff.
Vgl. Dammann, S. 32.

Ouvertüre (Variation 16) ist der zweite Teil verdoppelt. 9 Die Zahl 32 kehrt in der Anzahl der Takte
der einzelnen Variationen immer wieder. Diese bestehen alle aus 16, 32 bzw. 64 Takten, je nachdem,
ob man die Wiederholungen mitzählt oder nicht. Wie die Aria ist auch der gesamte Variationszyklus
in zwei Teile zu gliedern. Die Gesamtdisposition stellt sich wie folgt dar:

9

(1)

Aria

(2)

Variatio 1 a 1 Clav.

(3)

Variatio 2 a 1 Clav.

(4)

Variatio 3 a 1 Clav.

(5)

Variatio 4 a 1 Clav.

(6)

Variatio 5 a 1 ovvero 2 Clav.

(7)

Variatio 6 a 1 Clav.

(8)

Variatio 7 a 1 ovvero 2 Clav.

(9)

Variatio 8 a 2 Clav.

(10)

Variatio 9 a 1 Clav.

(11)

Variatio 10 a 1 Clav. Fughetta

(12)

Variatio 11 a 2 Clav.

(13)

Variatio 12

(14)

Variatio 13 a 2 Clav.

(15)

Variatio 14 a 2 Clav.

(16)

Variatio 15 a 1 Clav.

Canone alla Quinta (5). Andante

(17)

Variatio 16 a 1 Clav.

Ouverture (95 Takte)

(18)

Variatio 17 a 2 Clav.

(19)

Variatio 18 a 1 Clav.

(20)

Variatio 19 a 1 Clav.

(21)

Variatio 20 a 2 Clav.

(22)

Variatio 21

Canone alla Settima (7)

(23)

Variatio 22 a 1 Clav.

Alla breve

(24)

Variatio 23 a 2 Clav.

(25)

Variatio 24 a 1 Clav.

(26)

Variatio 25 a 2 Clav.

Vgl. Dammann, S. 67.

Canone all’Unisono (1)

Canone alla Seconda (2)

Canone alla Terza (3)

Canone alla Quarta (4)

Canone alla Sesta (6)

Canone all´Ottava (8)

(27)

Variatio 26 a 2 Clav.

(28)

Variatio 27 a 2 Clav.

(29)

Variatio 28 a 2 Clav.

(30)

Variatio 29 a 1 ovvero 2 Clav.

(31)

Variatio 30 a 1 Clav.

(32)

Aria da Capo10

Canone alla Nona (9)

Quodlibet (10?)

Der Bruch des Ganzen liegt zwischen der 15. und 16. Variation. Dies ist die einzige Variation, deren
Taktzahl von den anderen abweicht, sie besteht aus 95 Takten. Herbert Anton Kellner schreibt
hierzu, dass Bach sich im Zentrum der Komposition verewigt hat. Hier in der Mitte ist 95 die
Summe ihrer Ziffern 9+5=14 (BACH=14)11. Kellner macht uns in seinem Artikel auf einige weitere
interessante Sachverhalte bezüglich der Zahlensymbolik in den Goldberg-Variationen aufmerksam.
Er schreibt unter anderem, dass die 2. Variation in Takt 129=3x43 (CREDO=3+17+5+4+14=43)
beginnt.12 Er schreibt weiter, dass die 3. Variation in Takt 224=112x2 (CHRISTUS=112) endet.
Besonders hebt Kellner jedoch die 19. Variation hervor. Hier habe Bach die aufregendste
Zahlensymbolik eingearbeitet. Die Variation beginnt in Takt 1184=2 5x37 mit dem Namen J. CHR.
und 1+1+8+4=14 (BACH=14). Die Variation endet in Takt 1247=29x43 – JSB und CREDO. 13 Von
den 30 Variationen sind 16 für ein Manual bestimmt, 9 davon befinden sich im ersten Teil des
Zyklus. Dagegen gehören 7 von 11 zweimanualigen Stücken in den zweiten Teil.14
Die Struktur der 30 Variationen und ihre Geheimnisse füllen in der Analyse Bücher. Je tiefer
man schaut, desto vielschichtiger werden die Bezüge und Berechnungen, die dem Werk zu Grunde
liegen. Symmetrien und Zahlenreihen, die sich auch bei bestem Willen nicht hören lassen, sondern
gelesen und gerechnet werden müssen. Es bleibt festzuhalten, dass die Zahlen 3 und 4 und deren
Vielfaches bei der Komposition der Goldberg-Variationen eine Rolle gespielt zu haben scheinen.
Das Werk wirkt zu strukturiert, als dass der Zufall Baumeister gewesen sein könne. Mit Sicherheit
lässt sich dies aber nicht sagen. Ob hinter der mathematischen Architektur gar eine theologische
Motivation steckt, ist ebenfalls fragwürdig.

10 Vgl. für dieses Schema Heinz Hermann Niemöller: Polonaise und Quodlibet. Der innere Kosmos der GoldbergVariationen. In: Musik-Konzepte 42 (1985): Johann Sebastian Bach. Goldberg-Variationen, S. 7.
11 Vgl. Kellner, S. 2.
12 Vgl. Kellner, S. 2.
13 Vgl. Kellner, S. 5.
14 Vgl. Dammann, S.65.

Literatur
Dammann, Rolf (1986): Johann Sebastian Bachs »Goldberg-Variationen«, Mainz: Schott.
Geck, Martin (2000): Bach: Leben und Werk, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag GmbH.
Kellner, Herbert Anton (1981): The Mathematical Architecture of Bach`s Goldberg Variations.
In: The English Harpsichord Magazine Vol. 2 No. 8, 1981. [online]. Verfügbar unter
http://www.harpsichord.org.uk/EH/ehm.htm [26.08.2013].

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